Hohe Proteinkonzentrationen auch im Trockenverfahren
02.04.2024 Insights Interview

Hohe Proteinkonzentrationen auch im Trockenverfahren

Pflanzenbasierte Proteine werden für die Ernährung immer wichtiger. Doch der verfahrenstechnische und energetische Aufwand für deren Produktion ist hoch. Im Gespräch mit Industry Insight erklärt Markus Eggenmüller, worauf es ankommt und woran der Maschinenhersteller Hosokawa Alpine arbeitet, um den Prozess zu optimieren.

Markus Eggenmüller, Head of Sales Food Division bei Hosokawa Alpine Markus Eggenmüller, Head of Sales Food Division bei Hosokawa Alpine

Welche technischen Herausforderungen sehen Sie bei der Produktion von pflanzenbasierten Proteinen?

Pflanzliche Proteine aus Rohstoffen wie Weizen, Soja, Erbsen, Linsen oder anderen Hülsenfrüchten zu gewinnen ist im Prinzip einfach. Allerdings steigt der Bedarf und damit die Notwendigkeit, die Technik zu skalieren — in Industrieanlagen werden heute zum Teil bereits mehrere Tonnen pro Stunden verarbeitet. Zudem werden die Qualitätsanforderungen höher, denn schließlich geht es darum, den richtigen Geschmack und die geforderte Textur zu erreichen. Dazu müssen die Verfahren optimiert und an die Anforderungen der Lebensmittelindustrie angepasst werden.

Welche verfahrenstechnischen Besonderheiten hat die Produktion von Pflanzenproteinen?

Bei den neuen Lebensmitteln und speziell bei der Proteinverschiebung arbeiten wir hauptsächlich mit entschälter Ware. Diese wird beispielsweise in Sichtermühlen fein vermahlen. Die Deagglomerierung hat das Ziel, die Proteine von den Stärkekörnern zu trennen. Das Produkt wird dabei lange im Mahlraum belassen, um die Zellstruktur fein genug aufschließen zu können. In einem Mehrfachsichter wird die proteinreiche Fraktion anschließend von der stärkereichen Fraktion bei ca. 16 bis 20 µm getrennt. Das Proteinkonzentrat wird im Nachgang in einem Extruder beispielsweise zu Patties verarbeitet oder weiter aufbereitet. Alternativ dazu werden in einem Nassprozess Proteinisolate hergestellt.

Das klingt nach klassischer mechanischer Verfahrenstechnik. Wo liegen die Besonderheiten bei der Proteinproduktion?

Es stimmt, im Wesentlichen ist es eine klassische Technologie, die nur in Nuancen verbessert wird. Beispielsweise werden die Sichter optimiert, um eine bessere Trennschärfe zu erzeugen. Aber gegenüber der klassischen Produktion von Futtermitteln aus Hülsenfrüchten werden für die menschliche Ernährung ganz neue Qualitäten und Sorten definiert. Da gibt es dezidierte Vorgaben, wie hoch die Proteinwerte sein sollten. Und hier wird es technisch spannend: Je nach eingesetzter Sorte können in Trockenverfahren bereits bis zu 70 Prozent Proteingehalt erreicht werden – das ist nah am Isolat. Wenn es uns also durch eine geeignete Kombination aus speziell gezüchteten Rohstoffen und mechanischer Verfahrenstechnik gelingt, den Nassprozess zu eliminieren und die Produkte zudem noch die geforderten Eigenschaften erreichen, dann können wir viel Aufwand und Energie sparen.

Welche Rolle spielt dabei die Sensorik?

Eine sehr wichtige. Denn wir müssen die Zusammenhänge zwischen den eingesetzten Rohstoffen und dem daraus mit Hilfe der Technik erzielbaren Endprodukt besser verstehen lernen. Und das geht nur mit entsprechenden Sensoren. Bislang werden häufig noch Proben gezogen und im Labor ausgewertet – das dauert für eine Prozessregelung natürlich viel zu lange und zwingt die Hersteller weitgehend zum Blindflug. Online-Sensorik, z.B. mittels Nahinfrarot, verspricht hier Abhilfe – allerdings sind die Randbedingungen herausfordernd: Denn die Rohrleitungen haben enorme Durchmesser und bei der Feinvermahlung entstehen natürlich brennbare und explosionsfähige Stäube, weshalb auch der Ex-Schutz beachtet werden muss. Aber wenn wir mit Hilfe der Sensorik die Prozesse verstehen, können wir diese schließlich auch gezielt steuern.

Des Weiteren arbeiten wir auch gemeinsam mit Züchtern und Landwirten, damit diese gezielt das anbauen, was für die neuen Proteinprodukte benötigt wird. Wer diese Expertise von allen Schnittstellen zusammenbringt, der schafft echten Mehrwert für seine Kunden.

Durch Trockenfraktionierung hergestelltes pulverförmiges Pflanzenprotein Durch Trockenfraktionierung hergestelltes pulverförmiges Pflanzenprotein

Proteinreiche Mehle durch Trockenfraktionierung

Zur Herstellung der protein- und stärkereichen Spezialmehle bietet Hosokawa Alpine zwei Verfahren an: das Präzisionsverfahren und das Standardverfahren. In der Trockenfraktionierung werden die kleineren Protein- und die größeren Stärkepartikel deagglomeriert und anschließend die feineren Proteinpartikel von den gröberen Stärkepartikeln getrennt.

Im Präzisionsverfahren kommt die Sichtermühle Zirkoplex ZPS zum Einsatz, das fein gemahlene Produkt wird mit dem Sichter Turboplex ATP fraktioniert. So entstehen schließlich zwei Produkte: ein feines Proteinkonzentrat und ein grobes Stärkekonzentrat.

Produktionsanlage für Pflanzenproteine bei Müllers Mühle Produktionsanlage für Pflanzenproteine bei Müllers Mühle
Das Standardverfahren von Hosokawa Alpine für die Trockenfraktionierung umfasst eine effiziente Feinmahlung mit der Stiftmühle Contraplex CW II und eine Hochleistungssichtung des fein gemahlenen Produkts mit dem Windsichter ATP. Bei einigen Produkten mit hohem Faser- und/oder Ölgehalt empfiehlt sich die Mühle Contraplex CW II, um diese Bestandteile effizient zu deagglomerieren. Neben der Gewinnung von Proteinen aus Getreide oder Hülsenfrüchten können auch andere wertvolle Proteinquellen wie Sonnenblumen-Extraktionsschrot, Pseudogetreide, Guarkernmehl, Johannesbrotkernmehlsplit und Lebensmittel-Nebenprodukte aus Brauerei- und Ölextraktionsprozessen verarbeitet werden. Das ermöglicht nicht nur die Gewinnung wertvoller Proteine, sondern auch die Fraktionierung anderer wertvoller Inhaltsstoffe wie z. B. Ballaststoffe.

Autor

Armin Scheuermann

Armin Scheuermann

Chemieingenieur und freier Fachjournalist