Batterieproduktion in Europa hebt ab
29.02.2024 Energie- und Rohstoffbasis im Wandel Artikel

Batterieproduktion in Europa hebt ab

Die Energie- und Verkehrswende ist in vollem Gang. Förderprogramme und neue Regeln in Europa, USA und vor allem China befeuern einen Boom, der bereits deutlich Kontur angenommen hat. Die Herausforderungen sind groß, doch die Chancen ebenfalls – auch für die auf der POWTECH TECHNOPHARM vertretenen Anbieter.

Parkplatz markiert mit grünem Hintergrund und einem weißen Symbol für Elektroauto mit Ladekabel

„There are nine million bicycles in Beijing“, singt die Musikerin Katie Melua seit 2005 – und sie könnte nun ergänzen: „and nine million electric cars in China.“ Mit insgesamt über fünf Millionen Neuzulassungen in 2022 war die 9-Millionen-Schwelle bereits im Sommer 2022 überschritten. Tendenz: rasant weiter steigend. Denn obwohl im Reich der Mitte staatliche Förderungen für Elektrofahrzeuge inzwischen zwar stark gekürzt wurde – den Trend zum Elektroauto wird das nicht brechen. Käufern und Herstellern konventioneller Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor droht weiteres Ungemach: Während in Deutschland und Europa noch über die neue Abgasnorm Euro 7 gestritten wird, fordert China seit Juli 2023 mit dem 6b-Standard sogar noch deutlich strengere Grenzwerte im Hinblick auf Emissionen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass die den Batterie- und damit Elektroauto-Markt dominierende Nation dadurch die Zulassung von neuen Verbrennern, wie sie von westlichen Produzenten angeboten werden, stark einschränkt.

Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die aktuellen Veränderungen – und Veränderung tut weh. Wohl in kaum einem Bereich der Wirtschaft lässt sich das aktuell so deutlich beobachten, wie in der Energietransformation: Ob Wasserstoff, Gebäudeheizung, Elektromobilität oder Tempolimit – die Diskussion um die besten Maßnahmen für eine Veränderung des Energie- und Verkehrssektors hin zur Klimaneutralität lässt die Stimmungswogen hochschlagen. Und das könnte erst der Anfang sein: Über 200 unterschiedliche Technologien zur Energietransformation befinden sich derzeit in unterschiedlichen Stadien der Marktreife. Allen gemeinsam ist, dass sie dabei helfen sollen, fossile Energieträger im Energiesektor zu ersetzen. Und: Sie nutzen in der überwiegenden Zahl klimaneutral erzeugten Strom.

In Europa sollen 50 Batteriefabriken entstehen

Doch in der Veränderung liegen enorme Chancen. Profitieren werden Unternehmen, die aktiv an der Energietransformation mitarbeiten. Auch hier mag die Elektromobilität als Beispiel dienen. Denn um den massiv steigenden Bedarf an Batterien für Elektrofahrzeuge zu decken, werden derzeit allein in Europa über 50 Batteriefabriken geplant. Weil die Produktion von Batterien und Batteriematerialien enorm anspruchsvoll ist, sind Anlagen- und Maschinenbauer gefragt, die diese komplexen Produktionsprozesse entwickeln und das Equipment dazu liefern können.

Auch unabhängig von strengeren Emissionswerten, die auf Sicht kaum mehr von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor erreicht werden können, wächst der Markt für elektrisch angetriebene Fahrzeuge rasant: In 2023 kletterten die Zulassungszahlen in den USA um 54 Prozent auf 1.1 Mio. Neufahrzeuge. In China wurden fast 6,7 Millionen neue Elektroautos zugelassen – ein Zuwachs um 24 Prozent. Dagegen ging der Absatz in der EU zurück - in den wichtigsten 10 Ländern wurden lediglich 1,3 Mio. Neue Stromer zugelassen. Global wächst die Nachfrage nach Batterien rasant. Und die Politik macht zusätzlich Druck: Der von der Europäischen Union im März 2023 vorgeschlagene "Net Zero Industry Act" hat zum Ziel, dass bis 2030 rund 90 Prozent des jährlichen Batteriebedarfs der Europäischen Union (550 GWh) von europäischen Batterieherstellern gedeckt werden sollen. In den Vereinigten Staaten sieht der Inflation Reduction Act Subventionen in Milliardenhöhe vor, um Lieferketten für Elektrofahrzeuge, Batterien und Batteriemineralien aufzubauen. Dies verdeutlicht ein Schlaglicht auf den US-Markt: allein zwischen August 2022 und März 2023 haben große Elektrofahrzeug- und Batteriehersteller laut Energieagentur IEA Investitionen in Höhe von mindestens 52 Mrd. US-Dollar in Nordamerika angekündigt, davon 50 Prozent für die Batterieherstellung.

Moderne Produktionstechnik gefragt

Dabei haben die neuen Batterieproduzenten in Europa und andernorts durchaus Chancen, den Abstand gegenüber der dominierenden Batterienation China zu verkürzen. Denn in moderner Produktionstechnik liegt noch viel Verbesserungspotenzial, um leistungsfähigere Batterien zu einem niedrigeren Preis herzustellen. Aktuell werden mit Lithium-Eisenphosphat- und Natrium-Ionenbatterien Alternativen zur Lithium-Ionenbatterie etabliert, die Rohstoff- und Kostenvorteile haben. Aber auch in der Herstellung der Batteriematerialien gibt es noch große Effizienzpotenziale: Mischprozesse mit einem höheren Durchsatz bei gleichzeitig höher Mischgüte sind dabei nur einer von vielen Detail-Aspekten.

Und hier setzt die Politik zusätzlich neue Rahmenbedingungen wie etwa die neuen EU-Regularien, die seit Mai 2023 greifen und mit denen die Produktion, Nutzung und das Recycling von Batterien umweltfreundlicher werden soll. Bereits 2025 müssen demnach mindestens 65 Prozent aller Batterien recycelt werden. Für die Rückgewinnung der zur Batterieproduktion essenziellen Metalle Kobalt, Nickel und Kupfer legt die EU ein verbindliches Ziel von 90 Prozent fest. Und der EU-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) - möglicherweise die bisher radikalste Veränderung für die Besteuerung von Treibhausgasemissionen – wird auch Vorläufermetalle für Batterien, einschließlich Nickel, einschließen. Diese Vorgaben bieten ebenfalls Chancen – nicht nur für Recycling-Unternehmen, sondern auch für Anbieter von Verfahren und Maschinen.

Allerdings ist die Ausrüstung der Fabriken – ob zur Produktion von Batterien oder deren Recycling – bislang häufig noch Stückwerk. Oft werden die proprietären Herstellungsverfahren von den Betreibern selbst bis ins Detail geplant, was zu Problemen an den Schnittstellen zwischen einzelnen Verfahrensschritten, Maschinen und deren Herstellern führt. Dazu kommt, dass es bislang kaum Anlagenbau-Unternehmen gibt, die Batteriefabriken als EPC- oder EPCM-Kontraktor in Gesamtverantwortung bauen können. Erschwerend kommen zudem die hohen Anforderungen nicht nur im Hinblick auf die Produktqualität, sondern auch den Bedienerschutz hinzu: Die eingesetzten, häufig pulverförmigen Materialien sind toxisch und brennbar und müssen unter hermetisch geschlossenen Bedingungen (Containment für Gefährdungspotential OEB 4 oder OEB 5) gehandhabt werden.

Die Technologien dazu sind da – jetzt kommt es auf clevere Kooperationen zwischen den Akteuren und den Willen zur Umsetzung an. Bis beispielsweise in Deutschland die Zahl der Elektroautos von derzeit einer auf neun Millionen gewachsen sein wird, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Doch „nine million electric bicycles“ haben wir auf dem Weg zur Klimaneutralität in 2022 schließlich auch schon erreicht.

Autor

Armin Scheuermann

Armin Scheuermann

Chemieingenieur und freier Fachjournalist