Europas Kampf um Kreislaufwirtschaft: Nur ein Viertel des Kunststoffmülls wird recycelt
05.04.2024 Kreislaufwirtschaft & Recycling Artikel

Europas Kampf um Kreislaufwirtschaft: Nur ein Viertel des Kunststoffmülls wird recycelt

Wir trennen fleißig Müll, doch nur ein Viertel davon wird recycelt. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Kunststoff-Verbands Plastics Europe. Immer mehr Kunststoffe wandern in den Ofen. Dabei brauchen wir die Abfälle für die Kreislaufwirtschaft.

Müllberge auf Deponie mit Radlader im Vordergrund Obwohl die Recyclingquote für Kunststoffabfälle in der EU steigt, wird immer noch zu viel verbrannt oder deponiert.
2022 markierte einen wichtigen Meilenstein im Kunststoffrecycling: Erstmals wurden in Europa mehr Kunststoffabfälle recycelt als deponiert. Doch vor dem Hintergrund, dass in Ländern wie Deutschland bereits seit vielen Jahren Müll akribisch getrennt wird, sind die Zahlen dennoch ernüchternd: Lediglich 26,9 Prozent der Kunststoffabfälle wurden recycelt, 7,6 Millionen Tonnen landenten auf Deponien – so die vom Kunststoff-Verband Plastics Europe in Auftrag gegebene Studie „The Circular Economy for Plastics: A European Analysis“. Der Report enthält aktuelle Zahlen zum Recycling und dem Anteil von Kunststoffen aus nicht-fossilen Rohstoffen, sowie einen Überblick und detaillierte Länderreports zur europäischen Kunststoffproduktion, Verarbeitung, Verbrauch und Abfallbewirtschaftung von Kunststoffen.
Schaubilder zu Studienergebnissen Die aktuelle Studie zeigt, dass die europäische Abfallwirtschaft im Hinblick auf Rohstoffkreisläufe noch viel Nachholbedarf hat.

Die Recyclingquote steigt demnach nur langsam: Zirkuläre Kunststoffe aus nicht-fossilen Rohstoffen und recycelten post-consumer Rezyklaten machen inzwischen 13,5 Prozent der neu hergestellten Kunststoffprodukte in Europa aus. Gemäß der Plastics Transition Roadmap planen die europäischen Kunststoffhersteller den Anteil von zirkulären Kunststoffen in der Wertschöpfungskette bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen.

Verbrennung behindert die Transformation

Negativ sehen die Marktforscher die zunehmende Verbrennung von Kunststoffabfällen zur Energiegewinnung, die seit 2018 um 15 Prozent gestiegen ist. „Das ist bedenklich“, konstatiert Plastics Europe in einer Presseerklärung, „da diese Kunststoffabfälle als Rohstoffe benötigt werden und in vielen Fällen durch Recycling in den Kreislauf zurückgeführt werden könnten.“ Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe, erklärt: „Wenn wir hier keine Anreize schaffen, kann die Geschwindigkeit der Transformation nicht aufrechterhalten werden, um die Ziele der Plastics Transition Roadmap und des European Green Deal zu erreichen.“

 

Foto von Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe: „Wenn wir hier keine Anreize schaffen, kann die Geschwindigkeit der Transformation nicht aufrechterhalten werden, um die Ziele der Plastics Transition Roadmap und des European Green Deal zu erreichen.“
Sorgen macht Janssens auch die Tatsache, dass der Anteil Europas an der globalen Kunststoffproduktion von 22 Prozent im Jahr 2006 auf 14 Prozent im Jahr 2022 gesunken ist. „Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird Europa zunehmend von Kunststoffimporten abhängig sein, was die Möglichkeiten, in Kreislaufwirtschaft zu investieren beeinträchtigt, und die Transformation der nachgelagerten Wertschöpfungskette, die auf diese zirkulären Kunststoffe angewiesen sind, untergräbt“, konstatiert Plastics Europe.

Sammlung und Sortierung muss massiv ausgeweitet werden

Um der wachsenden Nachfrage nach Kunststoffen aus nicht fossilen Rohstoffen gerecht zu werden, müssen Sammlung und Sortierung von Plastikabfall massiv ausgeweitet und die Verfügbarkeit von Biomasse und CO2 aus Kohlenstoffabscheidung (CCU) erhöht werden. Am meisten Rezyklat wird in den Bereichen Verpackung, Bauwesen und Landwirtschaft eingesetzt, noch wenig dagegen im Automobilbau.

Dass die Kreislaufwirtschaft den Durchbruch bislang nicht geschafft hat, liegt aber auch daran, dass ein zu starker Fokus auf Recycling und Abfallmanagement gelegt wird. Das greift auch deshalb zu kurz, weil damit nicht nur ein großer organisatorischer Aufwand und hohe Investitionen verbunden sind, sondern für die Akteure schlichtweg zu wenig wirtschaftliche Anreize entstehen.

Anders sieht die Situation dagegen aus, wenn eine Wachstumsperspektive entsteht – und diese hat inzwischen die Automobilindustrie erkannt: Mit ihrer bereits heute starken Vernetzung zwischen Zulieferern und Kunden ist sie prädestiniert für neue, zirkuläre Geschäftsmodelle, bei denen die Produzenten nicht nur Autos herstellen, sondern diese auch über den ganzen Lebenszyklus begleiten und irgendwann auch betreiben, weil die Kunden nicht mehr das Auto, sondern die Mobilitätsdienstleistung kaufen.

Interessant sind in der Studie jedoch auch die Zahlen zu den Recycling-Verfahren: Der Großteil der zirkulären Kunststoffe (13,2 Prozent aller Kunststoffe) wurde 2022 aus mechanischem Recycling gewonnen. Lediglich ein Prozent stammte aus biobasierten Materialien, und nur 0,1 Prozent aus chemischem Recycling. Vor allem letzteres dürfte sich angesichts der ehrgeizigen Pläne der EU und der Transformation der chemischen Industrie in den kommenden Jahren gravierend ändern. Denn Kunststoffe bilden eine ideale Basis für den Ersatz fossiler Rohstoffe. Für Maschinen- und Anlagenhersteller ist das Potenzial in diesem Bereich enorm. „Wir sehen also kontinuierliche Fortschritte auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in Europa, aber wir brauchen alle Hände an Deck, um diesen Übergang zu beschleunigen“, kommentiert Covestro-Chef und VCI-Präsident Dr. Markus Steilemann die aktuelle Studie.

Autor

Armin Scheuermann

Armin Scheuermann

Chemieingenieur und freier Fachjournalist